Gluten, Weizen und NCGS: Wo liegt das Problem?

Weizen und sein Klebereiweiß Gluten sind in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus öffentlicher Diskussion geraten. Wahrheiten und Halbwahrheiten stehen besonders im Internet nicht selten in starker Konkurrenz zueinander. Nicht zuletzt deswegen vermeiden weit mehr Menschen Gluten als nötig. Doch für wen ist es richtig und wichtig, Gluten aus der Ernährung auszuschließen?

Was ist Gluten?

Gluten ist ein Eiweiß, das in Weizen, aber auch in anderen Getreidesorten wie Roggen, Gerste und Dinkel vorkommt. Gluten gibt dem Teig beim Backen seine typische Elastizität. Getreide- und Backwaren wie Brot, Pizza und Müsli enthalten Gluten. Es wird aber auch in Fertigprodukten und Saucen verwendet.

Warum Getreide nicht einfach ausschließen?

Getreide und Getreideprodukte sind eine wichtige Quelle für komplexe Kohlenhydrate, Nährstoffe wie die B-Vitamine und Ballaststoffe.

Mit einer Ernährungsweise, die eine oder mehrere Lebensmittelgruppen gänzlich ausschließt, riskiert man eine eingeschränkte Versorgung des Körpers mit wichtigen Nährstoffen. Ein niedriger Verzehr von Vollkorngetreide wird beispielsweise mit einem höheren Erkrankungsrisiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten in Verbindung gebracht.

Allerdings bereitet der Verzehr von Getreide und dabei besonders Weizen immer mehr Menschen Verdauungsbeschwerden. Sie führen das zumeist vorschnell auf den Glutengehalt des Getreides zurück und behandeln dies durch eine glutenfreie Ernährung.

Jedoch müssen hier zwei Komponenten des Weizens (und anderer Vertreter der Getreide) betrachtet werden:

  1. Gluten: Eiweiß in Weizen, Roggen, Gerste. Es verursacht die Beschwerden bei Zöliakie und muss bei deren Behandlung ausgeschlossen werden. Unter Zöliakie und einer Non-coeliac gluten sensitivity (NCGS) leiden ca. 1 % der Bevölkerung.
  2. Weizenproteine: Proteine in Weizen, die nicht Gluten sind, wie zum Beispiel Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI). Zu vermeiden bei Weizenallergie.
  3. Fruktane: Fermentierbare Kohlenhydrate, die nicht nur in Weizen vorkommen. Diese Fruktane triggern als Teil der FODMAPs bekannterweise bei vielen Menschen (ca. 15 % der Bevölkerung) Reizdarmsymptome. Ein strikter Ausschluss aus der Ernährung ist nicht notwendig – vielmehr geht es darum, individuelle Toleranzschwellen zu identifizieren. Weiterhin geht damit kein Gesundheitsrisiko einher – von einer zuweilen starken Einschränkung der Lebensqualität abgesehen.

Zöliakie

Zöliakie betrifft ca. 1 % der Bevölkerung und ist eine Autoimmunerkrankung. Dabei interpretiert das körpereigene Immunsystem Gluten fälschlicherweise als Gefahr. Auf den Verzehr glutenhaltiger Lebensmittel folgen eine Entzündungsreaktion und schmerzhafte Verdauungsbeschwerden. Im Verlauf der Erkrankung kann die Darmschleimhaut geschädigt werden, und es kommt zu einer verminderten Aufnahme von Nährstoffen.

Die Diagnose Zöliakie kann lediglich durch eine Kombination aus einem Bluttest und einer Probenentnahme der Dünndarmschleimhaut gesichert werden. Der Ausschluss von Gluten in der Ernährung ist bislang die einzige Möglichkeit, eine Zöliakie effektiv zu behandeln.

NCGS (Nicht-Zöliakie Glutensensitivität)

NCGS, die Nicht-Zöliakie Glutensensitivität, ist weiter verbreitet als eine Zöliakie – zu einer Immunreaktion gegen das Gluten kommt es hierbei nicht.

Für die Diagnose NCGS sollten eine Zöliakie und Weizenallergie ausgeschlossen werden. Zuverlässige serologische Marker gibt es bislang nicht. Deshalb ist die Diagnosestellung wesentlich schwieriger, nicht zuletzt, da die Symptome unspezifisch sind und sich nicht klar von anderen Krankheitsbildern abgrenzen.

Das Beschwerdebild ist vielfältig und lässt sich nur ungenau von einem Reizdarmsyndrom abgrenzen. Neben Verdauungsbeschwerden wie Blähungen, Durchfall und Krämpfen werden zahlreiche weitere Symptome damit in Verbindung gebracht.

Unter einer glutenfreien Ernährung berichten Patienten eine Verbesserung ihrer Symptome. Im Gegensatz zu einer Zöliakie, bei der eine strikt glutenfreie Ernährung indiziert ist, soll bei NCGS die Diät symptomorientiert zusammengesetzt werden. Strukturelle Schäden durch Gluten oder andere Weizenbestandteile sind nicht zu befürchten.

Ist Gluten überhaupt das Problem?

Da Gluten neben anderen möglicherweise Probleme verursachenden Bestandteilen wie Eiweiß und Kohlenhydraten (z.B. Fruktane) in Getreide vorkommt, ist es schwierig, die auslösende Komponente der individuellen Beschwerden zu identifizieren. Wissenschaftler schlagen derweil den Begriff Non-gluten Weizensensitivität (NCWS) vor, der den Zusammenhang zwischen den Beschwerden und Weizen als Auslöser akkurater beschreiben kann.

Wenn du also Weizen nicht verträgst, ist dies nicht zwingend auf Gluten zurückzuführen: Du könntest dich glutenfrei ernähren und trotzdem deine Beschwerden nicht loswerden, da der wahre Übeltäter ein anderer Bestandteil deiner Ernährung ist.

Viele Patienten vermuten als Ursache ihrer Beschwerden eine Gluten-Unverträglichkeit. Neue Studien zeigen, dass ihre Beschwerden tatsächlich oft auf eine Unverträglichkeit der im Getreide enthaltenen fermentierbaren Kohlenhydrate und Ballaststoffe, der sogenannten FODMAPs (Fermentable Oligosaccharides, Disaccharides, Monosaccharides and Polyols), zurückzuführen sind. Glutenhaltige Getreide wie Weizen, Roggen und Gerste fallen ebenfalls in die Gruppe der Lebensmittel mit einem hohen Gehalt dieser fermentierbaren Fasern.

Diese Patienten profitieren von einer Ernährungsweise, die arm an spezifischen FODMAPs ist. Dabei werden fermentierbare Kohlenhydrate aus Früchten, Gemüsen und Brot auf eine Toleranzmenge reduziert. In der Regel ist hier – im Gegensatz zum Gluten-Ausschluss bei Zöliakie – lediglich eine Reduktion oder clevere Kombination von Lebensmitteln nötig, um die Symptome unter Kontrolle zu bringen. Schwieriger als das Identifizieren der auslösenden Faktoren ist es, eine reizarme Ernährung umzusetzen. Denn die in einzelnen Lebensmitteln enthaltene Menge dieser Kohlenhydrate schwankt mitunter stark, und die Auslöser kommen dazu noch in anderen Lebensmittelgruppen als Getreiden vor.

Was tun, wenn du eine Weizenunverträglichkeit vermutest?

Eine Zöliakie oder Weizenallergie solltest du durch deinen Arzt ausschließen lassen. Dies ist sehr wichtig, um die Herangehensweise für die sich anschließende Ernährungstherapie zu definieren.

Auch wenn es oft suggeriert wird, gibt es keine einfache Lösung per Blut- oder Stuhltest, um eine Unverträglichkeit zu bestätigen.

Vor allem solltest du deine Ernährung durch den gänzlichen Ausschluss von Gluten nicht voreilig unnötig einschränken! Eine Ernährung frei von/arm an Vollkorngetreide zeigt negative Auswirkungen auf die Darmgesundheit.

Nachdem die Diagnose gestellt wurde, solltest du unter professioneller Leitung deine Ernährungsgewohnheiten protokollieren. Sobald Symptome auftreten, kannst du so mittels systematischen Ausschließens von Nahrungsmitteln dem Trigger (Auslöser) auf den Grund gehen: In einer Phase des Ausschlusses typischer Trigger-Lebensmittel sollen sich die Beschwerden legen. Indem du gezielt einzelne Lebensmittel wieder in deinen Speiseplan einführst, ermittelst du die für dich verträglichen Lebensmittel bzw. die verträgliche Menge (Toleranzgrenze).

Ein kleiner Trost: Es gibt Getreide-Optionen, die glutenfrei sind und zugleich einen niedrigen Gehalt an FODMAPs haben: Buchweizen, Amaranth, Quinoa, Hirse und Hafer!

Fazit:

  • Eine strikte, lebenslange glutenfreie Ernährung ist die Therapie der Wahl bei Zöliakie.
  • Weizen hat neben dem Gluten verschiedene andere Bestandteile, die Unverträglichkeiten auslösen können.
  • Die Ernährungsweise sollte nach Diagnosestellung gezielt eingeschränkt werden, um dem Körper nicht unnötig Nährstoffe vorzuenthalten.
  • Bei der NCGS handelt es sich um ein Beschwerdebild, das in vielen Aspekten dem Reizdarmsyndrom ähnelt.
  • Neben einem Ernährungsschema mit Ausschluss von Gluten zeigt sich eine FODMAP-Ernährung als effektiv. Hierbei werden fermentierbare Kohlenhydrate auf eine individuelle Toleranzschwelle reduziert.