Der Zucker Guide

Unsere Ernährung ist zu reich an Zucker – besonders Kinder nehmen signifikant zu viel ihrer täglichen Energie in Form von Zucker zu sich, beklagt die WHO. Gleichzeitig wirbt die Lebensmittelindustrie „mit der Süße aus Früchten“ und „natürlichen“, vermeintlich gesünderen Zuckeralternativen wie Agavensirup. Dies macht es uns schwer, eine akzeptable Menge und Art an Zucker zu identifizieren.

Allgemein bekannt ist, dass ein hoher Zuckerkonsum negative gesundheitliche Auswirkungen mit sich bringt und chronische Krankheit fördert: von der Entstehung einer Insulinresistenz, eines Diabetes mellitus Typ 2, von Herz-Kreislauf-Krankheiten bis hin zu Auswirkungen auf die Hirngesundheit.

Was ist Zucker?

Chemisch gesehen sind Zucker Kohlenhydrate – kurzkettige Kohlenhydrate. Sie werden damit von den langkettigen Kohlenhydraten abgegrenzt – den komplexen Kohlenhydraten (Stärke).

Beide Formen von Kohlenhydraten kommen natürlicherweise primär in pflanzlichen Lebensmitteln vor, z.B. in Form von Glukose und Fruktose in Früchten oder Laktose (Milchzucker) in Milchprodukten. Die langen Ketten der komplexen Kohlenhydrate finden sich beispielsweise in Getreide, Gemüse und Hülsenfrüchten. Sie werden durch Enzyme des Körpers in Zucker klein geschnitten und dann aufgenommen.

 

Das Problem: freie Zucker!

Von den natürlich vorkommenden Zuckern in Lebensmitteln wie Obst und Gemüse unterscheiden sich die sogenannten freien Zucker, „die vom Hersteller oder Verbraucher zugesetzt werden“ – also auch in Fertigprodukten in teilweise großen Mengen – in Form von:

  • raffiniertem Zucker
  • Honig
  • Sirup
  • Fruchtsäften
  • Fruchtsaftkonzentraten

Sie liefern wenig Nährstoffe und sorgen für einen raschen Blutzuckeranstieg, was dazu führt, dass der Körper noch mehr Zucker verlangt: Die Aufnahme dieses schnell verfügbaren Zuckers verursacht bald darauf einen Abfall des Blutzuckerspiegels. Das macht neuen Hunger auf noch mehr Zucker.

Und damit sind wir beim Problem von freien Zuckern. Sie sorgen dafür, dass wir in kurzer Zeit große Mengen an Zucker aufnehmen. Freie Zucker sind von ihrem pflanzlichen Gerüst getrennt: Sie enthalten minimale bis keine Mengen an Mineralien, Vitaminen und Ballaststoffen. Sie sind lediglich leere Energie, die schneller als zum Beispiel eine Portion Obst ins Blut aufgenommen wird. Freie Zucker sind nicht derselbe Zucker, der in ganzem Obst oder Gemüse zu finden ist – dieser Zucker ist in einem Ballaststoffgerüst eingebettet und wird somit langsamer in die Blutbahn aufgenommen. Zudem isst man intuitiv weniger davon. Ein großer Apfel und ein Esslöffel Honig haben eine vergleichbare Menge von 20g Zucker – was sättigt länger? Die Zucker des Apfels werden durch die anderen Bestandteile der Frucht wie Ballaststoffe und Pektin langsamer aufgenommen und sättigen länger.

Das Problem der freien Zucker:
Zu viel Zucker wird in sehr kurzer Zeit aufgenommen

Wie viel freie Zucker sind akzeptabel?

Die WHO und Fachgesellschaften raten zu einer maximalen Aufnahme an freien Zuckern von maximal 10% der täglichen Energiezufuhr. Das entspricht maximal 50g freiem Zucker bei einem Erwachsenen, der täglich 2000 kcal zu sich nimmt, und weniger als 35g bei einem Kindergartenkind. Durch zusätzliches Süßen, den Verzehr von Säften und Fertigprodukten ist dies schwierig einzuhalten. Gerade bei Fertigprodukten, z.B. Frühstückscerealien und Müslis, ist die zu sich genommene Menge freier Zucker schwierig zu identifizieren, da das Etikett nicht ihre genaue Menge ausweist – dazu später mehr.

Durch Verzehr freier Zucker erreicht man schnell die täglich akzeptable Menge an Zucker – insbesondere bei Kindern ist dies ein Problem.

Die Folgen hoher Zuckerzufuhr

 

Auch wenn die empfohlenen Mengen seit Langem bekannt sind: Der Konsum freier Zucker sieht in der Realität ganz anders aus. Besonders bei Kindern liegt die durchschnittliche Aufnahme freier Zucker mit 17% fast doppelt so hoch wie die empfohlenen maximal 10%. Eine Ernährung mit langfristig zu hoher Zuckerzufuhr fördert die Entstehung von Übergewicht, Insulinresistenz, Diabetes mellitus Typ 2, kardiovaskulären Erkrankungen und Karies.

Die Zuckertypen:

Im Lauf der Zeit haben sich die Optionen des Süßens erweitert. Manche dieser Produkte haben vermeintlich „gesunde“ Eigenschaften. Die folgenden Steckbriefe helfen bei der Einschätzung und der richtigen Wahl.

  • Raffinierte Zucker: Dazu zählen Haushaltszucker und Traubenzucker – sie können in kleinen Mengen verwendet werden.
  • Zuckerersatzstoffe: Vertreter Xylit, Sorbit und Mannit. Sie sind nicht zu empfehlen. Natürlich kommen sie in Obst (z.B. Kirschen, Pflaumen) und manchen Gemüsen vor. Im Körper werden sie zu Glukose und Fruktose umgebaut. Diese Zucker verursachen in ihrer zugesetzten Form Verdauungsbeschwerden und werden mit der Entstehung von Diabetes in Verbindung gebracht.
  • Künstliche Süßungsmittel: Vertreter wie Saccharin, Aspartam, Stevia und Erythrit[1] haben keine Kalorien. Allerdings wird vermutet, dass sie eine Insulinausschüttung stimulieren, so Hunger auslösen und das Mikrobiom negativ beeinflussen. Als am günstigsten und in kleinen Mengen zu verwenden erscheinen Stevia und Erythrit.
  • Natürliche Süßungsmittel: Dazu zählen Sirup (z.B. Agavensirup, Maissirup, Reissirup, Ahornsirup), Kokosblütenzucker, Honig, Dattelzucker. Die Gruppe ist größer und die Eigenschaften sind vielfältiger. Vom Agavensirup ist – trotz des guten Rufs – aufgrund der hohe Fruktosemenge abzuraten. Günstiger ist stattdessen der Verzehr von Ahornsirup.
  • Brauner Zucker: Er ist nicht so stark verarbeitet wie weißer Raffinadezucker und enthält Melasse. Dadurch weist er Vitamine und Mineralien auf, allerdings in so geringen Mengen, dass sie zu vernachlässigen sind.
  • Dattelzucker: ist als Einziger aus der Liste ein vollwertiges Lebensmittel – er entsteht aus gemahlenen Datteln – und enthält damit unter anderem Ballaststoffe.

Tipps im achtsamen Umgang mit Zucker:

  • Versuche, deinen Blutzucker stabil zu halten. Dies beugt Zucker Cravings (dem Hunger auf Süßes) vor. Der Mahlzeitenrhythmus und die Zusammensetzung der Mahlzeiten helfen dir, die Balance des Blutzuckers zu halten. Eine Mahlzeit bestehend aus einer Proteinquelle, einer gewissen Menge an (am besten pflanzlichen) Fetten und ausreichend Ballaststoffen unterstützt dich dabei.
  • Iss Obst, anstatt es zu trinken: Saft hat fast keine Ballaststoffe mehr. Daher ist ein Smoothie schon eine bessere Option. Allerdings tendiert man hier dazu, sehr große Mengen an Zucker auf einmal zu sich zu nehmen. Empfehlenswert ist es immer, die ganze Frucht zu essen.
  • Süße mit Trockenobst (Datteln, Feigen): Enthalte Vitamine, Mineralien und Ballaststoffe. Aber auch hier sollte man an die Energie- und Zuckermenge, insbesondere die Fruktosemenge, denken und Trockenobst sparsam verwenden!
  • Ersetze beim Süßen freie Zucker mit ganzen Früchten und Gewürzen: Apfel(püree) und Bananenpüree eignen sich gut dafür, und auch der Einsatz von Zimt und Vanille bringt sofort die Assoziation mit süßem Geschmack.

Wie starte ich in die Umsetzung?

Zucker ist natürlicher Bestandteil vieler Lebensmittel wie Obst und Gemüse und wird beim Verzehr unverarbeiteter Lebensmittel automatisch gemeinsam mit Vitaminen, Ballaststoffen und Mineralien aufgenommen. Diese ausgewogene Zusammensetzung führt zu einer langsameren Aufnahme des Zuckers im Blut und einem gemäßigten Anstieg des Blutzuckerspiegels. In dieser Form  und in moderaten Mengen ist der Zuckerverzehr völlig in Ordnung.

Zugesetzte Zucker, auch „freie Zucker“ genannt, kommen ohne ihr pflanzliches Gerüst daher und sind problematisch, da sie dem Organismus in kurzer Zeit viel Zucker liefern und somit zu einem rasanten Blutzuckeranstieg führen.

Natürliche Süßungsmittel und Zuckeraustauschstoffe sind nicht gesünder. Es sollten grundsätzlich geringe Mengen verwendet werden.

Eine pflanzenbasierte Ernährung beruht genau auf diesen Grundsätzen und macht es so einfach die Menge und Art von Zucker intuitiv richtig zu wählen. 

Ausführliches Wissen zum Thema Kohlenhydrate und wie die richtige Umsetzung ganz leicht gelingt, findest du in meinem Buch Plant.Based.